Der Strahlenverlauf zwischen Deckglas und Objektiv und was es dabei zu beachten gibt

 

Objektive mit hoher Auflösung, bei denen sich zwischen Präparat und Objektiv Luft befindet (="Trockenobjektive"), müssen prinzipiell immer mit einem Deckglas als Präparatabdeckung verwendet werden. Bei den meisten Routinemikroskopen ist dies das Objektiv 40-fach. Bei schwächeren Objektiven kann man auch ohne merklichen Qualitätsverlust auf ein Deckglas verzichten. Bei den Immersionsobjektiven (zumeist Objektiv 100-fach) kann ebenfalls auf ein Deckglas verzichtet werden.

Die stärkeren Trockenobjektive sind so berechnet, dass sie mit dem Deckglas eine funktionelle Einheit bilden. Die Lichtbrechung, welche am Übergang vom Deckglas zur Luft auftritt, ist bei der Konstruktion dieser Objektive berücksichtigt. Das Objektiv "erwartet" also, dass sich im Strahlenverlauf ein Deckglas befindet. 

 

Die nachfolgende Illustration soll folgende Gegebenheiten und Überlegungen darstellen:

  • Die Brechung am Übergang Deckglas/Luft (= Deckglasaberration).
  • Das Objektiv muss für die Benutzung mit Deckglas berechnet werden.
  • Da Objektiv und Deckglas eine Einheit bilden muss auch ein Deckglas benutzt werden.
  • Bei stärker geneigten Strahlen wirkt sich die Brechung stärker aus.
  • Objektive mit geringer Auflösung fangen nur die geringer geneigten Strahlen auf. Diese Objektive reagieren auf die Abwesenheit eines Deckglases nur mit einer geringen Verschlechterung der Bildqualität.

 

Einfluss des Deckglases auf den Strahlenverlauf 
   

Lichtbrechung am Deckglas


 

Nachfolgend einige Hinweise zur "Deckglasempfindlichkeit" gängiger Objektive in der Routine und Ausbildung.

 

Deckglasempfindlichkeit gängiger Objektive
   
Objektiv Deckglas notwendig ?
4-fach nein
10-fach nicht unbedingt
40-fach unbedingt
100-fach (Öl) nein

 

Die "Deckglasempfindlichkeit" steigt also mit der Auflösung (Vergrößerung) eines Objektivs. Folglich müsste das Objektiv 100-fach unbedingt mit einem Deckglas verwendet werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil wird das Objektiv 100-fach meist zur Detailuntersuchung von Ausstrichen ohne Deckglas verwendet.

Wie dargestellt basiert die Notwendigkeit, ein Deckglas einzusetzen, letztlich ursächlich auf der Berücksichtigung der Deckglasaberration (Lichtbrechung am Übergang Deckglas/Luft) bei der Konstruktion eines Objektivs. Bei Immersionsobjektiven entfällt dieser Ursache jedoch. Das Immersionsöl besitzt nahezu den gleichen Lichtbrechungsindex wie das Deckglas und die Objektivfrontlinse. Folglich tritt an keiner Stelle zwischen Präparat und Objektivfrontlinse eine Lichtbrechung, welche bei der Konstruktion des Objektivs berücksichtigt werden müsste, auf. 

Dem Immersionsobjektiv ist es folglich "egal", ob sich zwischen ihm und dem Präparat nur Immersionsöl, oder aber noch ein Deckglas befindet. Aus optischer Sicht haben somit Deckglas und Immersionsöl die gleichen Eigenschaften. Das Immersionsobjektiv ist also so berechnet, dass sich zwischen Frontlinse und Präparat ein Medium mit einem Lichtbrechungsindex von etwa 1,51 befindet (deshalb auch Bezeichnung homogene Immersion).

Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass zwischen Präparat und Objektiv keine Lichtbrechung stattfinden darf. Man muss also ein Immersionsobjektiv immer zusammen mit Immersionsöl verwenden. Verzichtet man auf das Immersionsöl, so kommt kein brauchbares Bild zustande. 

 

Vergleich Trockenobjektiv und Immersionsobjektiv 

   

Trocken- und Immersionsobjektive


 

Aus der obigen Darstellung wird auch deutlich, warum Objektive mit besonders hoher Auflösung immer als Immersionsobjektive ausgeführt sein müssen. Betrachtet man den Lichtstrahl 3, so wird erkennbar, dass dieser nur bei Verwendung von Immersionsöl in das Objektiv gelangt. Durch das Immersionsöl gelangt somit mehr Licht im Sinne von Information in das Objektiv.

 

 



 

© 2001 Christian Linkenheld