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Wellenoptische Grundlagen der mikroskopischen  Bildentstehung

 

In der Theorie der geometrischen Optik besteht das Licht aus einzelnen Strahlen. Durch ein derartiges Denkmodell lassen sich beispielsweise Abbildungsfehler sowie der Abbildungsmaßstab von Linsensystemen gut erfassen und darstellen. Soll jedoch die Entstehung des mikroskopischen Bildes erklärt werden, so ist dies nur durch Berücksichtigung eines anderen Denkansatzes möglich. Im Gegensatz zur Strahlenoptik besitzt das Licht in der wellenoptische Theorie den Charakter von Wellenzügen. Die Helligkeit des Lichts wird dabei durch die Amplitude der Welle bestimmt. Die auf der Wellenoptik basierende Theorie von der mikroskopischen Bildentstehung stammt von Ernst Abbe und wurde erstmals 1873 vorgestellt.

 

Wellenoptische Grundlagen 

Das Licht als Wellenbewegung (Sinuswelle)

 

Die wellenoptischen Grundlagen der Entstehung des mikroskopischen Bildes sind vergleichsweise komplex und nicht einfach zu verstehen. Wer nur gelegentlich einfachere Routineaufgaben mit dem Mikroskop erledigen muss, für den ist das Wissen um die hier beschriebenen Zusammenhänge nicht unbedingt erforderlich. Für Mikroskop-Benutzer, die jedoch einen etwas tieferen Einblick in die Funktionsweise ihres Gerätes erwerben wollen, ist zumindest ein gewisses Basiswissen über die wellenoptischen Grundlagen der mikroskopischen Abbildung nützlich. Zum Verständnis der theoretischen Grundlagen des Phasenkontrastverfahrens ist die Kenntnis der wellenoptischen Zusammenhänge geradezu unerlässlich.
Zunächst sollen die Begriffe Phase einer Lichtwelle, Kohärenz, Interferenz und Beugung etwas näher erläutert werden.

 

Phase einer Lichtwelle

Betrachtet man einen Punkt auf einer Lichtwelle, so befindet sich dieser auf einer bestimmten Phase des Wellenzuges. Auf der nachfolgenden Abbildung sind die Punkte a und d phasengleich; der Abstand zwischen diesen Punkten beträgt genau eine Wellenlänge. Die Markierungen b und c befinden sich dagegen auf einer anderen Phase der Lichtwelle.

 

Phase der Lichtwelle

 

Kohärenz

Lichtwellen, die die nachfolgenden Kriterien erfüllen, werden als kohärent bezeichnet:

  • gleiche Wellenlänge
  • die Wellen schwingen in der gleichen Ebene
  • die Wellen wirken zum gleichen Zeitpunkt am gleichen räumlichen Ort

Nur Lichtwellen, die das Kriterium der Kohärenz erfüllen sind in der Lage zu interferieren.

 

Interferenz

Kohärente Wellenzüge können sich zu einer neuen Lichtwelle vereinigen. Diese Erscheinung trägt die Bezeichnung Interferenz. Die Amplitude der resultierenden Welle wird dabei durch die Amplituden des interferierenden Lichts sowie von den Phasenbeziehungen der beteiligten Lichtwellen bestimmt.

Beispiel 1: Zwei interferierende Lichtwellen a und b sind phasengleich. Die entstehende Lichtwelle c ergibt sich durch die geometrische Addition der Amplituden der interferierenden Wellenzüge bezogen auf die Achse A. Da die Wellen a und b die gleiche Amplitude aufweisen, besitzt die resultierende Lichtwelle c somit genau die doppelte Amplitude (Helligkeit) von a und b. Bei Interferenz phasengleicher Wellen ist somit eine maximale Verstärkung zu beobachten.

 

 

Beispiel 2: Zwei interferierende Lichtwellen a und b sind um eine halbe Wellenlänge phasenverschoben. Die resultierende Lichtwelle ergibt sich wiederum durch die Addition der Amplituden. Da beide interferierende Wellenzüge die gleiche Amplitude aufweisen, ergibt sich eine Lichtwelle c mit der Amplitude 0. Die beiden Lichtwellen haben sich durch die Interferenz somit gegenseitig ausgelöscht.

 

 

Beispiel 3: Zwei interferierende Lichtwellen a und b sind um ca. 1/4 Wellenlänge phasenverschoben. Die resultierende Lichtwelle c hat eine geringere Amplitude (Helligkeit) als in Beispiel 1, aber erkennbar eine deutlich größere Amplitude als die resultierende Lichtwelle in Beispiel 2.

 

 

Aus den Beispielen wird deutlich, dass das Resultat, welches bei der Interferenz zweier Lichtwellen entsteht, von der Phasendifferenz der beteiligten Wellenzüge abhängt. Befinden sich die Lichtwellen auf der gleichen Phase, so ist eine maximale Verstärkung festzustellen, besteht jedoch eine Phasendifferenz von einer halben Wellenlänge, so besitzt der entstehende Wellenzug nur noch eine geringe Amplitude bis hin zur völligen Auslöschung bei gleicher Amplitude der interferierenden Wellenzüge.

 

Beugung

Die Beugung soll am Beispiel von Wasserwellen vereinfacht erläutert werden.
Zwei ebene Wellenfronten bewegen sich auf ein Hindernis zu. In der Mitte dieses Hindernisses befindet sich ein kleiner Spalt.

 

 

Nachdem die erste Welle das Hindernis erreicht hat, tritt sie aus dem Spalt ringförmig hervor.

 

 

Die erste Welle breitet sich weiter ringförmig aus und auch die zweite Welle erzeugt analog der ersten ebenfalls eine halbkreisförmige Wellenfront hinter dem Spalt.

 

 

Der beschriebene Vorgang wird als Beugung bezeichnet und lässt sich in ähnlicher Form auch bei den Wellen des Lichts beobachten.

 

Entstehung des primären Zwischenbildes im Mikroskop

Die oben beschriebene Erscheinung der Beugung tritt in der Mikroskopie an jeder Struktur eines Präparates auf. Nachfolgend sollen jedoch nur die grundlegenden Vorgänge bei der Beugung an mikroskopischen Strukturen beschrieben werden. Deshalb bleiben wir bei dem obigen, einfachen Beispiel eines Spaltes.


Eine ebene Wellenfront kohärenten Lichts trifft auf einen relativ langen und schmalen Spalt. Hierbei tritt die bereits beschriebene Beugung auf. Die aus dem Spalt austretende Kugelwelle besteht, vereinfacht, aus untereinander parallelen Strahlen, welche einen bestimmten Winkel (ß) zum direkten Mikroskopierlicht (Strahlen 0. Ordnung) einnehmen. Treten diese untereinander parallelen Strahlen in ein Mikroskopobjektiv ein, so werden sie in der Brennebene vereinigt. Dort kommt es zur Interferenz zwischen den beteiligten Wellenzügen.

Die Strahlen 0. Ordnung besitzen, wie aus der Abbildung leicht zu erkennen ist, alle die gleiche Phase. Im Brennpunkt des Objektivs kommt es zur Überlagerung dieser Strahlen mit gleichzeitiger Interferenz. Da die Strahlen phasengleich sind, resultiert hier eine maximale Verstärkung und somit auch eine maximale Helligkeit. Diesen Bereich maximaler Helligkeit bezeichnet man als das Maximum 0. Ordnung.

 

 

Die in der Abbildung dargestellten Strahlen 1-7 gelangen in der Brennebene des Objektivs ebenfalls zur Interferenz. Zwischen Strahl 1 und Strahl 7 besteht hierbei ein Gangunterschied von einer Wellenlänge. Dadurch existiert zu jedem Lichtstrahl genau ein interferenzfähiger Partner, der um eine halbe Wellenlänge phasenverschoben ist. So besteht beispielsweise zwischen den Strahlen 2 und  5, sowie 3 und 6 ein Gangunterschied von einer halben Wellenlänge. Lichtwellen, die bei einer Phasendifferenz von einer halben Wellenlänge interferieren löschen sich gegenseitig aus. An dieser Stelle ist im Bereich der Objektivbrennebene durch Interferenz folglich Dunkelheit zu beobachten. Diesen Bereich völliger Dunkelheit bezeichnet man als Minimum.

Wenn der Winkel ß weiter zunimmt, so nimmt auch der Gangunterschied zwischen den Strahlenzügen 1 und 7 zu. Durch Interferenz entsteht bei einer Phasendifferenz von 1.5 Wellenlängen keine gegenseitige Auslöschung, sondern ein weiteres Maximum (Maximum 1. Ordnung). Dieses Maximum ist jedoch weniger hell als das Maximum 0. Ordnung.

Wenn der Gangunterschied zwischen den Strahlen 1 und 7 ein Vielfaches der Wellenlänge beträgt entsteht durch Interferenz in der Objektivbrennebene Dunkelheit. Beträgt der Gangunterschied jedoch ein Vielfaches der halben Wellenlänge, so resultieren durch Interferenz die sogenannten Maxima. Diese Maxima werden vom Maximum 0. Ordnung ausgehend durchnumerieret. Die Maxima auf der rechten Seite erhalten hierbei ein positives, die auf der linken Seite ein negatives Vorzeichen. Die Intensität der Maxima höherer Ordnung nimmt hierbei immer mehr ab. Diese Verteilung aus hellen und dunklen Zonen in der Brennebene des Objektivs wird als Beugungsfigur bezeichnet.

 

Beugung am Spalt und daraus resultierende
Beugungsfigur in der Objektivbrennebene

 

In der mikroskopischen Praxis tritt die Beugung an jeder Struktur eines Präparates auf. Entsprechend erzeugt jedes Präparat eine Beugungsfigur durch Interferenz in der Brennebene des Objektivs. Die Verteilung heller und dunkler Zonen und somit das Aussehen dieser Beugungsfigur sind für jedes Präparat absolut charakteristisch. Diese Beugungsfigur wurde bereits von Abbe als primäres Zwischenbild bezeichnet.

Worin liegt nun die Bedeutung der Maxima und Minima einer Beugungsfigur für die Bildentstehung im Mikroskop? - Um diese Frage zu beantworten, muss man den weiteren Weg des Lichts bis zur Zwischenbildebene verfolgen. Dort entstehen die Objektdetails der mikroskopischen Abbildung nämlich durch Interferenz der vom Beugungsmaximum 0. Ordnung ausgehenden Lichtwellen mit den aus den Maxima höherer Ordnung entspringenden Lichtwellen. Je mehr gebeugtes Licht hierbei zur Interferenz in der Zwischenbildebene gelangt, desto objektgetreuer wird die mikroskopische Abbildung.

 

Hinweis

Um ein Objektdetail aufzulösen, müssen in dessen Beugungsbild neben dem Maximum 0. Ordnung mindestens noch die Maxima der 1. Ordnung erscheinen. Ob diese Bedingung erfüllt werden kann, hängt nicht zuletzt mit der numerischen Apertur des verwendeten Objektivs ab. Je größer die numerische Apertur ist, desto mehr gebeugtes Licht gelangt durch das Objektiv zur Interferenz in die Objektivbrennebene.

 

Nachfolgend wird die Entstehung der Beugungsfigur des gleichen Spaltes wie in der obigen Abbildung dargestellt. Das verwendete Objektiv besitzt jedoch nur eine geringe numerische Apertur. Dadurch erscheinen die Maxima der 1. Ordnung nicht mehr in der Beugungsfigur. In einem mikroskopischen Präparat würde dies bedeuten, dass ein entsprechendes Objektdetail im mikroskopischen Bild nicht mehr zur Auflösung gelangen würde.

 

Beugung am Spalt und daraus resultierende
Beugungsfigur in der Objektivbrennebene bei
einem Objektiv mit geringer numerischer Apertur

 

Es wird deutlich, dass das beobachtbare mikroskopische Bild letztlich von der Beugungsfigur in der Objektivbrennebene abhängig ist. Für die mikroskopische Praxis bedeutet dies, dass künstlich herbeigeführte Veränderungen dieser Beugungsfigur auch das mikroskopische Endbild beeinflussen. Diese Erkenntnis liegt der Theorie und der praktischen Realisierung des Phasenkontrast-Verfahrens zugrunde.

 

Ergänzendes Thema:

[ Geometrische Optik ]

 

 



 

© 2000 Christian Linkenheld