Christian Linkenheld
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Die Enträtselung der Bildentstehung im Mikroskop ist die wesentliche Grundlage zur zielgerichteten Optimierung der mikroskopischen Optik. Jetzt geht Abbe auch daran die relevanten Abbildungsfehler systematisch zu reduzieren. Mikroskopobjektive bilden kleine Flächen mit großen Öffnungswinkeln ab. Letzteres ist notwendig, um ein gutes Auflösungsvermögen zu erreichen. Bei optimal korrigierter sphärischer Aberration werden bei großen Öffnungswinkeln bereits unmittelbar der optischen Achse benachbarte Punkte mit einer so genannten "Koma" abgebildet. Hierbei handelt es sich um die kometenschweifartige Verzeichnung eines Bildpunktes. Ernst Abbe erkennt, dass dieser Abbildungsfehler daraus resultiert, dass der Abbildungsmaßstab über den Öffnungswinkel normalerweise nicht gleichmäßig groß ist. Erst bei Einhaltung der nach ihm benannten "Abbeschen Sinusbedingung" wird dieser wesentliche Abbildungsfehler behoben.

 

Die Abbesche Sinusbedingung
   

 

Bei eingehaltener Sinusbedingung durch ein Mikroskopobjektiv ist der Abbildungsmaßstab über den gesamten Öffnungswinkel gleichbleibend. Die Abbildung erfolgt ohne Koma. Systeme, bei denen die sphärische Aberration behoben und gleichzeitig die Sinusbedingung eingehalten wird, werden als "aplanatisch" bezeichnet.

 

Wir haben bereits gesehen, dass durch die Dispersion (Abhängigkeit der Brennweite von der Wellenlänge des Lichts) weitere so genannte "chromatische Abbildungsfehler" auftreten. Durch die geschickte Kombination von Kron- und Flintglas lassen sich achromatische Objektive herstellen. Bei diesen Objektiven werden die Brennpunkte für blaues und rotes Licht angeglichen. Die dann noch durch die verbliebene chromatische Längsaberration entstehenden Farbsäume sind das "sekundäre Spektrum". Die Dispersion bedingt jedoch noch weitere bildverschlechternde Abbildungsfehler. So bleiben selbst bei angeglichener Lage der Brennpunkte die Brennweiten selbst weiterhin verschieden groß (bei unterschiedlicher Lage der Hauptebenen bzw. der Hauptpunkte entlang der optischen Achse). Wir wissen aber bereits, dass der Abbildungsmaßstab von der Brennweite eines Objektivs abhängt. Dadurch haben die Bilder der unterschiedlichen Farben selbst bei korrigierter chromatischer Längsaberration eine unterschiedliche Größe, was wiederum Farbsäume hervorruft. Diese Erscheinung wird als "chromatische Queraberration" oder "chromatische Vergrößerungsdifferenz" (CVD) bezeichnet. Hinzu tritt weiterhin ein Abbildungsfehler, dessen Tragweite wohl erst Ernst Abbe richtig erkannt hat. Es handelt sich hierbei um die "chromatische Differenz der sphärischen Aberration". Die sphärische Aberration selbst ist nämlich wiederum natürlich auch von der jeweiligen Wellenlänge des Lichts abhängig. Dies bedeutet, dass selbst im Fall der völligen Korrektur der sphärischen Aberration für eine bestimmte Wellenlänge weiterhin mit einer mehr oder weniger ausgeprägten sphärischen Aberration für den Rest des Spektrums zu rechnen ist. Dieser Fehler wird auch "Gauss-Fehler" genannt und bedingt eine verbleibende Unschärfe des Bildes.

Ernst Abbe ist inzwischen in der Lage Mikroskopobjektive so zu berechen, dass alle relevanten Abbildungsfehler weitgehend unschädlich gemacht werden können. Er stößt jetzt aber auf das Problem, dass die zum Bau der berechneten Objektive erforderlichen optischen Gläser mit ihren ganz speziellen Dispersionsgängen schlicht nicht verfügbar sind. Um trotzdem die Resultate seiner Berechnungen zu überprüfen läßt Abbe in den Jahren 1873-1876 zunächst versuchsweise Mikroskopobjektive bauen, die neben Glas- auch Flüssigkeitslinsen mit den gesuchten optischen Eigenschaften haben. Die Abbildungsresultate dieser - natürlich nicht für den Verkauf gedachten - experimentellen Objektive bestätigen die Richtigkeit der Berechnungen Abbes durch eine überragende Bildqualität. Ernst Abbe sucht nun nach einer Möglichkeit die benötigten Gläser herzustellen. Hierbei lernt er den Glaschemiker Otto Schott kennen.

 


Otto Schott

Otto Schott (1851-1935)

Otto Schott wird 1851 in Witten (Westfalen) als Sohn eines Glasmachermeisters geboren. Nach dem Studium der Chemie in Aachen, Würzburg und Leipzig promoviert Schott 1875 in Jena über ein glaschemisches Thema. An das Studium schließen sich weitere Privatstudien zur Glasherstellung an. Schott erwirbt sich die Fähigkeit kleine Glasschmelzen mit homogenen und damit exakt bestimmbaren optischen Eigenschaften herzustellen. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für die (probeweise) Herstellung optischer Gläser in kleinen Mengen.


 

Abbe richtet für Otto Schott 1882 ein eigenes Laboratorium in Jena ein und im Jahr 1884 wird schließlich das "Glastechnische Laboratorium Schott & Genossen" für die Produktion optischer Gläser gegründet. 1886 können dann im Katalog "Neue Mikroskop-Objektive und Oculare aus Specialgläsern des Glastechnischen Laboratoriums (Schott & Genossen)" die entwickelten, bahnbrechenden Objektive vorgestellt werden. Während bei achromatischen Objektiven die Brennpunkte für zwei Wellenlängen angeglichen werden ist dies bei den neuen Objektiven nun für 3 Wellenlängen der Fall. Hierdurch kann das sekundäre Spektrum fast völlig unterdrückt werden. Zusätzlich sind die neuen Objektive nicht nur für eine, sondern für zwei Farben aplanatisch (Korrektur der spärischen Längsaberration & Einhaltung der Sinusbedingung). Ernst Abbe bezeichnet diese Objektive als "Apochromate".

Apochromatische Objektive erzeugen allerdings eine Abbildung mit einer deutlichen chromatischen Vergrößerungsdifferenz. Die Bilder unterschiedlicher Wellenlängen befinden sich hierbei praktisch in der gleichen Ebene (korrigierte chromatische Längsaberration). Durch die weiterhin vorhandene CVD sind diese prinzipiell scharfen Bilder für die unterschiedlichen Farben jedoch verschieden groß. Die durch den kürzerwelligen Bereich des Spektrums ("Blau") entstehenden Bilder sind hierbei größer, als die Bilder der längerwelligen, "rötlichen" Strahlung. Um dieses Problem zu beheben wurden zusammen mit den Apochromaten neue Okulare - die so genannten "Kompensationsokulare" eingeführt. Diese Okulare besitzen ebenfalls eine CVD, die jedoch der chromatischen Vergrößerungsdifferenz der Objektive entgegengesetzt verläuft und hierdurch die CVD der Objektive im betrachteten Endbild kompensiert.

Die folgende Darstellung zeigt die unkompensierte chromatische Vergrößerungsdifferenz im Zwischenbild eines apochromatisch korrigierten Objektivs. Als Präparat wird hierbei ein Objektmikrometer verwendet. Dies ist ein Objektträger mit einer 1mm langen Skala, welche aus 100 Teilstrichen im Abstand von 10µm besteht. Ein Objektmikrometer wird zur Kalibrierung spezieller Okulare für Längenmessungen verwendet. Man erkennt die CVD an zum Bildrand zunehmenden Farbsäumen entlang der Teilstriche.

 

Die Chromatische Vergrößerungsdifferenz (CVD)
   

 

Wichtig:
Seit etwa Mitte der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts sind die meisten großen Hersteller (Carl Zeiss, Nikon, Olympus, Leitz/Leica) mit der so genannten "Unendlich-Optik" auf eine neue Systemarchitektur umgestiegen. Hier ist das Zwischenbild in der Regel völlig auskorrigiert und besitzt keine CVD (Ausnahme: einige Einstiegsmodelle). Bei diesen Geräten kann das Zwischenbild dann direkt auf den CCD-Chip einer Kamera projiziert werden. Diese Vorgehensweise ist bei älteren Mikroskopen der genannten Hersteller nicht ohne deutliche Qualitätseinbußen möglich. Deshalb wird bei diesen Geräten immer eine Zwischenoptik zur Korrektur der CVD benötigt.

 

Werden apochromatische Objektive zusammen mit den passenden Kompensationsokularen verwendet, so liefern diese farbreine Bilder mit hoher Schärfe. Dennoch verbleibt ihnen eine Eigentümlichkeit, die als "Bildfeldwölbung" bezeichnet wird. Durch ein Objektiv wird eine ebene Objektfläche hierbei in eine gewölbte Bildfläche abgebildet. Diese Erscheinung stört besonders bei der Mikrofotografie und ist zur Zeit Ernst Abbes noch nicht korrigierbar. Erst 1938 gelingt es Hans Boegehold mit weiteren Mitarbeitern von Carl Zeiss die Bildfeldwölbung im Zwischenbild zu beseitigen. Objektive ohne Bildfeldwölbung werden durch die Vorsilbe "Plan" gekennzeichnet (Planachromate bzw. Planapochromate).

 

Die Bildfeldwölbung